10.11.2025 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1235574

Risikobeurteilung und Sicherheitsmaßnahmen für Wasserstoff

WEKA (mha)

Informieren Sie sich in diesem Beitrag über die Anwendungen von Wasserstoff und möglichen Gefährdungen beim Umgang mit Wasserstoff. Welche Evaluierungs- und Sicherheitsmaßnahmen sollten Sie im Betrieb umsetzen?

Wasserstoff ist unter Normalbedingungen leichter als Luft und besitzt eine Steiggeschwindigkeit von ca 4 Meter/Sekunde. Diesem Umstand sowie der Schnelligkeit des äußerst kleinen Moleküls ist in Sicherheitsüberlegungen in der entsprechenden Arbeitsumgebung immer Rechnung zu tragen.

Da das Gasmolekül äußerst klein ist, können auch Mikrorisse in Apparaturen schneller als üblich zum Problem werden.

Wasserstoff ist bei Zimmertemperatur ein farb- und geruchloses Gas, das ca 14,4mal leichter als Luft ist. Es ist das Element mit der geringsten Dichte, daher diffundiert Wasserstoff leicht durch poröse Trennwände, aber auch durch Metalle wie Platin. Das Element Nr 1 hat nach Helium die tiefste Schmelz- und Siedetemperatur.

Auf Grund seines hohen Energieinhalts und der unproblematischen Verbrennung (es entsteht bei der Oxidation lediglich H2O, also Wasser) ist Wasserstoff ein vielversprechender, aber auch noch problematischer Energieträger. Für die sicherheitstechnische Bewertung werden sicherheitstechnische Kenngrößen (STK) verwendet.

Anwendungen von Wasserstoff

Energieversorgungsunternehmen, Chemieindustrie sowie Metallurgie und ähnlich energieintensive Wirtschaftsunternehmen betreiben bereits Anlagen zur Herstellung, Verdichtung, Transport und Verarbeitung von Wasserstoff. Wird dieser aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, spricht man vom grünen Wasserstoff.

Zu den Wasserstoffanlagen zählen:

  • Erzeugungsanlagen, zumeist Elektrolyseanlagen (Elektrolyseure)
  • Brennstoffzellen
  • Gasreinigungs- und Gasaufbereitungsanlagen
  • Gasverdichter

Mögliche Gefährdungen beim Umgang mit Wasserstoff

Druckgefährdungen

In unter Druck stehenden Rohrleitungen und Anlagenteilen wie Pumpen, Schiebern, Reglern können Gasexpansionen stattfinden. Momentanes, schlagartiges Abströmen kann zu einem adiabatischen Druckstoß führen und stellt eine nicht zu unterschätzende Zündquelle dar!

Explosionsgefahren Explosionsgefahren- Bildung von explosionsfähigen Wasserstoff/Luft-Gemischen

Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff gegenüber Luft strömt freigesetzter Wasserstoff sofort nach oben und kann sich insbesondere unter der Raumdecke ansammeln.

In nicht oder schlecht durchlüfteten Aufstellungsräumen von Wasserstoffanlagen können sich gefährliche Gasansammlungen bilden. Die Explosionsgrenzen des Wasserstoffs (UEG 4 Vol.- %, OEG 77 Vol.- %) sind hierbei zu berücksichtigen. Liegen homogene Gas/Luft-Gemische mit Wasserstoff vor, ist das sofortige nach oben Strömen im Gegensatz zu freigesetztem reinem Wasserstoff nicht mehr unbedingt gegeben.

Brände und Explosionen

Ab ca 10 Vol.- % Wasserstoff im Gemisch mit Luft sind die Auswirkungen von Explosionen in einem weiten Konzentrationsbereich sehr heftig, da mit zeitlich maximalem Druckanstieg zu rechnen ist. Ein Wasserstoffbrand wird normalerweise nicht gelöscht, um keine explosionsfähige Atmosphäre zu generieren – brennendes Gas ist kontrolliertes Gas!

Erstickungsgefahr

Erstickungsgefahr kann infolge von Sauerstoffverdrängung durch Wasserstoff oder Inertgase (z. B. Stickstoff), die bei Spülvorgängen verwendet werden, auftreten.

Risikobeurteilungen und Evaluierungsgrundlagen

Durch die Eigenschaften von Wasserstoff ist bei der Verwendung somit fast immer ein Explosionsschutzdokument gemäß §5 der VEXAT zu erstellen. In Anlagen in denen Wasserstoff verwendet wird, muss auf eine höchstmögliche Dichtheit abgezielt werden.

Vor allem die Prozesse zur Herstellung einer Sauerstoff- bzw luftfreien Wasserstoffgas-Atmosphäre als auch deren geplante (bzw. im Störungsfall ungeplante!) Aufhebung und dabei möglicher Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre muss gesteigerte Aufmerksamkeit mit Hilfe regelungstechnischer Maßnahmen gewidmet werden. Während der Herstellung bzw der Aufhebung, somit auch im Leckagefall oder einer Störung, wird unter Umständen verfahrenstechnisch eine Phase mit der Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre durchlaufen.

Sowohl die Beurteilung der Explosionsgefährdung als auch die Festlegung von geeigneten Schutzmaßnahmen ist von einer fachkundigen Person vorzunehmen. Die Anforderungen hinsichtlich Kompetenzen und Erfahrungen für geeignete fachkundige Personen für den Explosionsschutz sind in der ÖNORM Z 2200 festgelegt. Die geeignete fachkundige Person für den Explosionsschutz muss beurteilen können, welche Aufgaben und Situationsbeurteilungen sie aufgrund ihrer Kenntnisse und vor allem Erfahrungen in alleiniger fachlicher Verantwortung übernehmen und vertreten kann. Die Gefährdungsbeurteilung und die Schutzmaßnahmen zum Explosionsschutz sind in einem Explosionsschutzdokument zu dokumentieren.

Ein wichtiger Faktor ist die Instandhaltung einer Anlage. Bei der Instandhaltung von Gasanlagen dürfen nur geeignete Bauteile (für Druck, Volumenstrom, Temperatur, Werkstoffbeständigkeit) verwendet werden, mindestens technische Dichtheit ist zu gewährleisten. Es dürfen nur geschulte Fachleute eingesetzt werden, deren Qualifikation wiederholt unangekündigt zu kontrollieren ist.

Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitstechniken

Sicherheitsmaßnahmen bei Sauerstoffmangel

Beim Öffnen einer mit Stickstoff inertisierten Leitung kann im Arbeitsbereich Sauerstoffmangel auftreten. Beispiele für diesbezügliche Schutzmaßnahmen sind:

  • technische Belüftung des Arbeitsbereiches
  • mit Gaswarngerät den Arbeitsbereich auf Sauerstoffmangel überwachen
  • im Extremfall umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät

Freispülungen

Zur Auslegung des Spülvorganges können auch abschätzende Berechnungsmethoden zB nach DIN-Fachbericht CEN/TR 15281 oder VDI Richtlinie 2263 Blatt 2 herangezogen werden. Hierbei empfiehlt es sich, zur erstmaligen Inbetriebnahme die rechnerische Auslegung durch begleitende Messungen zu überprüfen. Ziel dabei ist es, nachzuweisen, dass bei dem angesetzten Spülvolumenstrom und der Spüldauer eine ausreichende Gasfreiheit vorliegt.

Inertisierung

Die Durchführung der Inertisierung ist schriftlich im Vorfeld festzulegen (z. B. Arbeitsablaufplan). Für eine erfolgreiche Inertisierung sind zB folgende Kriterien zu beachten:

  • Dichteunterschiede der Gase
  • Durchmesserunterschiede der Leitungsabschnitte
  • Abzweigungen
  • Strömungsgeschwindigkeit
  • Toträume

Begrenzung der Auswirkungen von Explosionen

  • An den Mündungen von Abblase- und Entspannungsleitungen zur Atmosphäre sind mögliche Gefährdungen infolge der Entzündung von Wasserstoff zu bewerten (manuelle und automatische Entspannung) und erforderliche Schutzmaßnahmen festzulegen. Mit folgenden Auswirkungen ist bei einer Zündung zu rechnen: Freistrahlflamme (Wärmeeinwirkung auf die Umgebung) und
  • Explosionsüberdruck (Druckauswirkung auf die Umgebung) bei verzögerter Zündung
  • Die Berechnung der Freistrahlflamme liefert die Bestrahlungsstärke in Abhängigkeit von der Entfernung. Damit können die erforderlichen Schutzabstände für Personen und bauliche Anlagen festgelegt werden
  • Der bei einer Zündung resultierende Explosionsüberdruck in Abhängigkeit vom Abstand zum Explosionsmittelpunkt ergibt die Schutzabstände für unzulässige Druckeinwirkung auf die Umgebung (Personen, bauliche Anlagen)

Ähnliche Beiträge

  • Lagerung und Transport von Acetylen bei Feuer- und Heißarbeiten

    Zum Beitrag
  • Sichere Planung und Errichtung von Photovoltaikanlage

    Zum Beitrag
  • Prüf- und Warnpflichten auf der Baustelle

    Zum Beitrag

Produkt-Empfehlungen

Produkt-Empfehlungen