Fake News – Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen ungültig?
Das Erkenntnis des VfGH vom 24.06.2025 hat aufgrund medialer Berichterstattung einiges an Verwirrung erzeugt. Nun kommt die Kehrtwende durch ein neues OGH-Urteil. RA Dr. Andrea Weisert klärt auf.
VfGH-Erkenntnis zu Wertsicherungsklauseln
24.06.2025 (G170/2024-17, G37-38/2025-11)
Wertsicherungsklauseln sollen unzulässig sein, wenn im Vertrag nicht extra darauf hingewiesen wurde, dass die Miete innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss nicht erhöht wird. Die Diskussion verlief weiter dahingehend, ob man nun 3 Jahre oder sogar 30 Jahre zurück die Miete rückfordern könne, wenn eine Klausel im Mietvertrag eben diese Voraussetzungen nicht enthalten würde.
Leider wurde das Verfassungsgerichtshoferkenntnis anfangs nicht richtig zitiert, sodass erhebliche Unsicherheit in der Bevölkerung aufgetreten ist.
Verfassungswidrigkeit vorliegend?
Das Konsumentenschutzgesetz behandelt in seiner Bestimmung des § 6 so genannte unzulässige Vertragsbestandteile, die einem Verbraucher (Konsumenten) gegenüber als unwirksam gelten. Dies dient dem Schutz des Verbrauchers gegenüber dem, in der Regel stärkeren, Vertragspartner, dem Unternehmer.
Zum Beispiel darf sich ein Unternehmer keine unzumutbaren langen Fristen ausbedingen, innerhalb derer er ein Vertragsangebot des Verbrauchers annimmt oder ablehnt oder die einen Verbraucher übermäßig lange an ein Angebot binden würde. Es sind auch Klauseln verboten, bei denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als eine Willenserklärung gewertet wird, usw.
Unter anderem wird auch normiert, dass eine Vereinbarung dann zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher rechtswidrig ist, wenn sie dem Unternehmer erlaubt, binnen zwei Monaten nach Vertragsabschluss den Preis für seine Leistung anzuheben.
Ziel von Wertsicherung in Verträgen
Oft werden in Verträgen (Mietverträge, Lieferverträge, etc) Wertsicherungsklauseln aufgenommen, die Anpassungen an Preis-/Lohnindexes, Inflation, regeln sollen. Die Kauf-bzw Leistungswerte sollen an wirtschaftliche Veränderungen angepasst werden.
Wertsicherungsklauseln sollen eine allgemeine Gleichbehandlung und eine Transparenz berücksichtigen, dh sie müssen klar, eindeutig und verständlich formuliert sein und dürfen nicht überraschend wirken. Auch eine wesentliche Belastung eines Vertragspartners mit einer Preisänderung kann sittenwidrig oder unangemessen sein, wenn sie diesen unverhältnismäßig benachteiligt.
VfGH-Erkenntnis: Sachverhalt
Der Verfassungsgerichtshof wurde aufgrund eines Falles, der vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt in Wien anhängig gewesen ist, angerufen und es wurde unter anderem begehrt, die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (Anhebung eines höheren als ursprünglich bestimmten Entgelts innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschließung) als verfassungswidrig aufzuheben.
In diesem Anlassfall begehrte ein Mieter Mietzinsrückzahlungen auf Grundlage einer nicht rechtsverbindlichen Wertsicherungsklausel im Mietvertrag.
Die Argumente dafür, dass die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verfassungswidrig sein sollte, waren unter anderem, dass diese Bestimmung Ziel- und Dauerschuldverhältnisse gleichbehandeln würde, obwohl sich diese Rechtsinstitute grundlegend voneinander unterscheiden.
Unterschied Zielschuldverhältnis – Dauerschuldverhältnis
Unter Zielschuldverhältnissen versteht man eine vertragliche Vereinbarung, die auf die Erbringung einer einmaligen, genau definierten Leistung (Ziel) gerichtet ist, das Vertragsverhältnis endet automatisch, sobald dieses Ziel erreicht ist.
Ein Dauerschuldverhältnis läuft über einen längeren Zeitraum und ist nicht auf ein Endprodukt oder einen Erfolg ausgerichtet.
Ein typisches Zielschuldverhältnis wäre ein Werkvertrag, ein Dauerschuldverhältnis ein Mietvertrag.
Argumentiert wurde, dass zum Beispiel bei einem Werkvertrag (Zielschuldverhältnis) eine Preiserhöhung einen Verbraucher überraschen würde und sohin nachteilig wäre, weswegen die Vertragskontrolle durch § 6 Abs 2 Z 4 KSchG berechtigt sei. Bei Dauerschuldverhältnissen würde insbesondere, weil ja der Zeitpunkt der Beendigung nicht einmal (insbesondere bei unbefristeten Verträgen) feststünde, ein legitimes Interesse an der Wertsicherung bestehen und kann daher auch keine Rechtfertigung für ein Anpassungsverbot innerhalb der ersten beiden Monate erblickt werden. Insbesondere kann eine entsprechende Anpassung für den Verbraucher nicht überraschend sein, da dieser aufgrund der Natur eines Dauerschuldverhältnisses mit einer Indexierung rechnen muss.
Ausführungen des VfGH zur KSchG-Bestimmung
Der Verfassungsgerichtshof wies die Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung zurück und führte aus, dass einerseits den Gesetzesmaterialien eindeutig zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber bei § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 4 KSchG ausdrücklich auch Dauerschuldverhältnisse vor Augen hatte. Die genannten Bestimmungen würden auch nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für Verbrauchermietverträge gelten.
Die ebenfalls in diesem Zusammenhang geltende Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verfolgt das Ziel, sachlich nicht gerechtfertigte Eingriffe eines Unternehmens in das ursprüngliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu verhindern. Der Gesetzgeber geht in der Bestimmung davon aus, dass ein Verbraucher in diesem Zusammenhang einem besonders großen Risiko ausgesetzt ist, gleichzeitig wird aber auch auf Unternehmerseite anerkannt, dass insbesondere bei längerfristigen Schuldverhältnissen aufgrund einer inflationären Preisentwicklung das Bedürfnis nach einer Entgeltanpassung besteht.
Die Bestimmung strebt die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Wertverhältnisses von Leistung und Gegenleistung während der gesamten Vertragslaufzeit an, ohne, dass es durch die Wertsicherungsklausel zu einem darüberhinausgehenden „Gewinn“ des Unternehmens kommt. Der Verbraucher soll außerdem von überraschenden und sachlich nicht gerechtfertigten Preiserhöhungen geschützt werden. Weiters geht die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG davon aus, dass ein Unternehmer die Kostenentwicklung in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss grundsätzlich vorhersehen kann. Wenn er dies nicht kann, soll er es entsprechend vertraglich mit einem Verbraucher regeln.
Grundsätzlich soll verhindert werden, dass der Preis im Vertrag zahlenmäßig bestimmt wird und sich der Unternehmer jedoch irgendwo anders im Vertrag die Möglichkeit offenhält, innerhalb kurzer Zeit ein höheres als das zahlenmäßig bestimmte Entgelt zu verlangen. Sozusagen soll der Verbraucher eine „Festpreisgarantie“ während der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss haben.
Conclusio des VfGH
Die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist nicht verfassungswidrig, sie gilt für Ziel- und Dauerschuldverhältnisse.
Im Einzelfall kann allerdings nicht automatisch von einer Nichtigkeit der Wertsicherungsklausel und damit verbunden Rückforderung der geltend gemachten Erhöhungen, ausgegangen werden, dazu muss man den gesamten Vertrag und die Verhältnisse überprüfen.
Eine aktuelle Entscheidung des OGH macht nun deutlich, dass nicht dem § 6 Abs 2 Z 4 KSchG entsprechende Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen nicht gleich zur Aufhebung der gesamten Klausel (und somit nicht angepasste Mietzinse seit Mietbeginn) führen müssen:
Kehrtwende des OGH
Am 30.07.2025 entschied der OGH (10 Ob 15/25s) in bemerkenswerter Abkehr der bisherigen Entscheidungen in einem „Wertsicherungsklausel-Prüfungsfall“ und schaffte damit Klarheit für alle künftigen Streite bezüglich Anwendung der infrage gestellten KSchG- Bestimmung:
Festgehalten wurde zunächst, dass die letzten Entscheidungen des OGH nahelegen würden, dass unzulässige Wertsicherungsklauseln zur Gänze wegfallen, was zur Folge hätte, dass das Mietverhältnis ohne Wertsicherungsabrede fortlebt und der Mieter Beträge, die aufgrund von Wertanpassungen bezahlt hat, bereicherungsrechtlich zurückfordern kann. Eine genauere Betrachtung in Zusammenhang mit längeren Bestandverträgen wurde bis dato nicht unternommen und lässt sich daher aus der bisherigen Rechtsprechung auch nicht entnehmen. Begrüßenswert ist die Außenansetzung des OGH mit diesem Problem, weil es für Vermieter zu oben Unbilligkeiten führen würde, würde man eine Wertsicherungsklausel zur Gänze aus einem Vertrag streichen und dem Vermieter sohin die Möglichkeit nehmen, einen Mietzins entsprechend der Inflation anzupassen.
Der OGH hält deutlich fest, dass die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse, die darauf angelegt sind, länger als zwei Monate zu dauern, nicht anzuwenden ist.
Nachdem Wohnungsmietverträgen in der Regel mindestens drei Jahre andauern müssen (zumindest im Teil und Vollanwendungsbereich des MRG) können Wertsicherungsklauseln nur aufgrund der allgemeinen Grundsätze für Vertragsbestimmungen geprüft werden und sind nicht „automatisch“ anfechtbar, weil der 2-Monate-Hinweis nicht enthalten ist.
Der OGH hält fest, dass die zitierte Bestimmung des KSchG schon auch für Dauerschuldverhältnisse Anwendung findet, die Trennlinie aber dort zu ziehen ist, wo die Leistung des Unternehmens vollständig innerhalb einer im Vertrag vorgesehenen Leistungsfrist von zwei Monaten zu erbringen ist oder nicht.
Bedeutung für den Einzelfall (Mieter ist Konsument)
Ob nun eine Wertsicherungsklausel einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG bedeutet oder nicht, muss daher beachtet werden, dass in Individualverfahren (Mieter gegen Vermieter) zur Beurteilung von Wertsicherungsklauseln die bereits existenten OGH-Urteile, die sich auf ein Verbandsverfahren beziehen, nicht 1:1 übernommen werden können, weil die Umstände des Einzelfalles immer gesondert beurteilt werden müssen.
Grundsätzlich sind Wertsicherungsvereinbarungen sohin auch nicht automatisch rechtswidrig, wenn der Vermieter im Mietvertrag den Satz „Die Miete wird innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss nicht erhöht.“ nicht hineinschreibt.
Bei Mietverhältnissen, die länger als zwei Monate andauern sollen, ist die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar.
Es kann daher – wie bisher – jede einzelne Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag dahingehend geprüft werden, ob sie nicht als unzulässige Vertragsbestimmung rechtswidrig ist. Der Verweis auf die 2 Monate „Sperrfrist“ ist nicht nötig.
Beispiele (aus Verbandsklagen entnommen) für unzulässige Klauseln
- unklare, mehrdeutige oder versteckt formulierte Klausel – es fehlen konkrete Bezugsgrößen oder Stichtage
- Sittenwidrigkeit bzw unangemessene Benachteiligung: Klausel verschiebt Preisrisiken unverhältnismäßig zulasten einer Partei
- Einseitigkeit: Klausel sieht nur Mietzinserhöhungen vor, stellt aber keine entsprechende Senkung bei Indexrückgang in Aussicht
- unklare Ersatzindexregelung
- rückwirkende Anpassung: Klausel bezieht bereits vor Vertragsabschluss eingetretene Indexänderungen ein (das Verwenden einer zuletzt verlautbarten Indexzahl ist nicht problematisch)
- kein sachlicher Index: statt Verbraucherpreisindex wird der Baukostenindex verwendet
- intransparente Formulierungen
Hinweis:
Für Individualverträge sind andere Maßstäbe anzusetzen, es kommt – wie immer – auf den Einzelfall und die Verhältnisse an.
Rechtsfolge der Ungültigkeit der Wertsicherungsklausel
Unwirksame Vertragsklauseln führen idR zur Nichtigkeit, die ex tunc wirkt, dh grundsätzlich würde eine unwirksame Vertragsklausel wegfallen, sie wäre im Vertrag nicht mehr existent. Etwaige Folge sind auch bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche.
Im oben zitierten OGH-Urteil wurde festgehalten, dass Klausel insbesondere Wertsicherungsklauseln auch teilbar sein können (dh ist wieder im Einzelfall zu prüfen), das bedeutet, dass zwar einzelne Regelungen unwirksam sein können, was aber nicht zwingend zum Wegfall der gesamten Wertsicherung führen würde. Diese Klarstellung ist zu begrüßen, da Vermieter ohne Wertsicherungsklausel bei langfristigen Bestandverhältnissen wohl kaum das Auslangen finden könnten, die Belastung eines Vermieters wäre unverhältnismäßig.
Verjährung
Bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche unterliegen je nach Art der Leistung und Vertragssituation entweder einer Verjährung von 3 Jahren (kurze Frist), 5 Jahren (bei bestimmten Rückersatzansprüchen) oder der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren.
3 Jahre gilt für wiederkehrende Leistungen und ungültigen Verträgen.
Die Diskussion was nun für Wertanpassungen gelten soll, ist noch am Laufen – geplant ist dazu auch eine Klarstellung per Gesetz (5 Jahre im Gespräch).
Fazit und Tipp für die Praxis
Für künftige Verträge empfiehlt sich – daran hat sich nichts geändert – natürlich eine klare und eindeutige Regelung mit einem Stichtag, ab wann die erste Wertanpassung erfolgen kann. Für Mieter wäre es auch sachgerechter, wenn eine Erhöhung nur einmal jährlich (und dann auch nicht rückwirkend) erfolgt und nicht alle Monate (theoretisch) möglich wäre.
Autorin
Frau Dr. Andrea Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.
Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online und ist Autorin von Loseblattwerken zum WEG und Zivilverfahrensrecht.