Irrelevanz von unzulässigen Wertsicherungsvereinbarungen im Mietzinsüberprüfungsverfahren
Mag. Martin Brunnhauser erläutert aktuelle Rechtsprechung zur Irrelevanz von unzulässigen Wertsicherungsvereinbarungen im Mietzinsüberprüfungsverfahren – eine kritische Analyse der Implikationen für den Mieterschutz und die Europarechtskonformität.
Der Oberste Gerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (5 Ob 166/24h) klargestellt, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen in außerstreitigen Mietzinsüberprüfungsverfahren nach dem Mietrechtsgesetz nicht von Amts wegen zu prüfen ist. Diese Entscheidung schränkt die Prüfkompetenz der Außerstreitgerichte signifikant ein und ist kritisch zu hinterfragen. Sie ist potenziell europarechtswidrig. Es ergeben sich relevante Fragen hinsichtlich des Mieterschutzes, der Effektivität rechtlicher Überprüfungsmöglichkeiten und der korrekten Umsetzung von EU-Recht.
Die Ausgangssituation und die Kernproblematik
Im konkreten Fall stand ein Mietzinsüberprüfungsverfahren im Mittelpunkt, in dem die Rechtmäßigkeit der Anhebungen eines Richtwertmietzinses, die auf einer Wertsicherungsvereinbarung basierten, angefochten wurde. Die Wertsicherungsklausel lautete:
„Es wird Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses (des Entgelts für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen) nach Maßgabe der in den §§ 5 und 6 RichtWG vorgesehenen Wertsicherung (Neufestsetzung) der Richtwerte – ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Richtwert vereinbart.“
Das Rekursgericht hatte die betreffende Wertsicherungsvereinbarung als unwirksam beurteilt. Diese Einschätzung stützte es auf grundlegende Prinzipien des Zivilrechts, insbesondere auf § 879 Abs 3 ABGB (Verstoß gegen die guten Sitten, hier im Sinne einer gröblichen Benachteiligung) und § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Konsequenterweise wurden auch alle auf dieser vermeintlich unwirksamen Vereinbarung beruhenden Mieterhöhungen für ungültig erklärt. Die Unzulässigkeit einer nahezu wortgleichen Wertsicherungsvereinbarung wurde bereits in der OGH-Entscheidung 8 Ob 37/23h festgestellt und wurde dort ebenfalls eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB bejaht. Der 5. Senat des OGH hob die ergangene Entscheidung des Landesgerichts jedoch auf.
Der OGH fokussiert den Blickwinkel auf die bloße rechnerische Einhaltung von Mietzinsobergrenzen. Die fundamentale Frage nach der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der vertraglichen Basis, auf der solche Erhöhungen überhaupt erst erfolgen, wird dabei bewusst ausgeklammert und auf eine andere Verfahrensart verwiesen. Dies führt zu einer Zersplitterung und zur Ineffizienz des Rechtsschutzes, mit für Mieter:innen ungünstigen Folgen.
Die zentralen Feststellungen des OGH und ihre fachliche Auseinandersetzung
Anlass zur Diskussion geben nachstehende Punkte der OGH-Entscheidung:
- Der OGH stellt fest, dass der Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG primär zu prüfen hat, ob der durch eine Wertsicherungsvereinbarung erhöhte Hauptmietzins den gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften des § 16 Abs 1 bis 7 MRG entspricht. Das bedeutet, die Prüfung konzentriert sich ausschließlich darauf, ob der verlangte Mietzins die gesetzlich zulässige Höchstgrenze überschreitet. Die Frage, wie es überhaupt zu einem solchen Mietzins kommen konnte, insbesondere ob die zugrundeliegende Wertsicherungsvereinbarung rechtmäßig ist, bleibt unberücksichtigt. Es geht lediglich um die rechnerische Einhaltung einer Obergrenze, nicht um die Zulässigkeit der Vertragsklausel selbst. Aus kritischer Sicht bedeutet dies, dass Gerichte gezwungen sind, über „rechtmäßige/gesetzmäßige“ Mieten auf Grundlage von Klauseln zu entscheiden, deren Missbräuchlichkeit zuvor nicht geprüft wurde. Im Verfahren gem § 37 MRG wird ein „gesetzlich zulässiges Mietzinsausmaß“ festgestellt. Im Sinne der Entscheidung 5 Ob 166/24h geschieht dies künftig unter Anwendung einer missbräuchlichen (Mietzinsanhebungs-)Klausel.
- Zwar räumt der OGH ein, dass als Vorfrage zu klären ist, ob überhaupt eine Wertsicherungsvereinbarung im Sinne des § 16 Abs 9 MRG vorliegt, die eine Anhebung des Mietzinses legitimiert. Diese Prüfung bleibt jedoch an der Oberfläche und ist nicht ausreichend. Es wird nicht substanziell hinterfragt, ob diese Vereinbarung etwa intransparente Klauseln enthält. Die bloße Existenz einer solchen Vereinbarung scheint ausreichend zu sein, um die nachfolgende (eingeschränkte) Prüfung zu ermöglichen. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen Judikatur dar. In früheren OGH-Entscheidungen (wie 5 Ob 89/23h) wurde die Unzulässigkeit von Wertsicherungsklauseln sehr wohl als Vorfrage im außerstreitigen Verfahren geprüft.
- Der OGH betont, dass Einwendungen, die die (relative) Nichtigkeit einer Wertsicherungsvereinbarung betreffen – etwa aufgrund gröblicher Benachteiligung § 879 Abs 3 ABGB oder eines Verstoßes gegen das KSchG – im außerstreitigen Verfahren unzulässig sind. Solche Fragen, die die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung nach allgemeinen zivilrechtlichen Kriterien betreffen, sind dem streitigen Rechtsweg vorbehalten. Diese Abgrenzung ist– auch wenn sie juristisch formal auf eine Trennung der Rechtswege abstellt – aus europarechtlicher Perspektive als bedenklich zu bewerten. Ein expliziter Ausschluss der zivilrechtlichen Inhaltskontrolle stellt einen Verstoß gegen das Effektivitätsprinzip dar.
- Die Entscheidung des OGH scheint europarechtswidrig. Eine Bestimmung des nationalen Rechts wurde nicht unionsrechtskonform ausgelegt. Die Entscheidung widerspricht der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Der OGH hat eine Prüfung der Missbräuchlichkeit verweigert, obwohl der Mieter diese sogar ausdrücklich geltend gemacht hat. Diese aktuelle Rechtsprechung stellt eine mangelhafte nationale Umsetzung der Klausel-Richtlinie dar. Schlichtungsstellen und Außerstreitrichter werden daran gehindert, die Missbräuchlichkeit von Mietzins- und Wertsicherungsvereinbarungen von Amts wegen oder auf explizite Beanstandung von Verbrauchern hin zu prüfen.
- Beschränkte Kognitionsbefugnis: Der OGH hielt fest: „Indem das Rekursgericht die gesamte Wertsicherungsvereinbarung als unwirksam beurteilte und als gesetzlich zulässigen Hauptmietzins (nur) den zum Zeitpunkt des ursprünglichen Mietvertragsabschlusses geltenden Richtwert inklusive Zu- und Abschlägen ansah, hat es seine Kognitionsbefugnis überschritten.“
Das hat natürlich Auswirkungen auf den Mieterschutz und den Abschreckungseffekt. Der Außerstreitrichter ist nach dieser Rechtsprechung lediglich dazu befugt, die mietrechtliche Zulässigkeit des angehobenen Hauptmietzinses zu prüfen. Eine umfassende Inhaltskontrolle nach zivilrechtlichen Maßstäben oder die Erklärung der Wertsicherungsvereinbarung als Ganzes für unwirksam zu erklären sind ihm verwehrt. Dies kann für Mieter:innen die Durchsetzung ihrer Rechte erschweren, da im Rahmen des eigentlich für Mietzinsfragen vorgesehenen Verfahrens keine umfassende Überprüfung der Vertragsgrundlage möglich ist. Der von der Klausel-Richtlinie intendierte Abschreckungseffekt geht für missbräuchliche Mietzinsvereinbarungen dadurch verloren. Wenn Vermieter:innen die Gewissheit haben, dass ihre Klauseln im Mietzinsüberprüfungsverfahren nicht umfassend auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft werden, wird der Anreiz zur Verwendung fairer und transparenter Klauseln gemindert.
- Ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins als nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässig, so ist lediglich der übersteigende Teil unwirksam (§ 16 Abs 9 MRG). Die Wertsicherungsvereinbarung als solche bleibt davon unberührt. Hier liegt ein Kernpunkt der kritischen Auseinandersetzung: Selbst bei einer potenziell unfairen, intransparenten oder gar sittenwidrigen Wertsicherungsklausel wird lediglich der Betrag korrigiert, der die gesetzliche Mietzinsobergrenze überschreitet. Das eigentliche Problem – die möglicherweise unzulässige Klausel selbst und ihre Auswirkungen auf die Mietzinsentwicklung über Jahre hinweg – wird nicht angegangen und kann weiterhin als Basis für zukünftige, bis zur Grenze zulässige Erhöhungen dienen.
- Die Zersplitterung führt auch zu unbefriedigenden Ergebnissen hinsichtlich der Verfahrenskosten. Sollte bei einem Mietzinsüberprüfungsverfahren – aufgrund der (nun) nicht zu berücksichtigenden unzulässigen Wertsicherungsklausel – eine relativ geringe Mietzinsüberschreitung festgestellt werden, so hat das, gerade mit Blick auf jüngere Entscheidungen, erhebliche Kostenfolgen für die antragstellenden Mieter:innen. Sie werden, trotz Obsiegens, zum Tragen eines großen Teils oder der gesamten Verfahrenskosten verpflichtet. In der Folge sollen Mieter:innen auf dem streitigen Rechtsweg die unzulässige Klausel bekämpfen, um den verbleibenden Rest der noch nicht entschiedener Mietzinsüberschreitung zu erstreiten, um letztendlich zu ihrem Recht zu gelangen? Das führt zu der Merkwürdigkeit, dass das eigentlich kostengünstigere Außerstreitverfahren teurer ausfällt als das streitige Verfahren, weil bei Wegfall der unzulässigen Wertsicherung eine höhere Überschreitung festgestellt würde.
Konsequenzen für die Praxis und abschließende Bewertung – Ein kritischer Ausblick
Die Entscheidung des OGH hat weitreichende Konsequenzen. Sie führt zu erschwerter und ineffizienter Rechtsdurchsetzung für Mieter:innen. Die Trennung der Verfahrenswege in außerstreitige Mietzinsüberprüfung und streitige zivilrechtliche Inhaltskontrolle bringt für Mieter:innen erhebliche Nachteile. Sie müssen nun unter Umständen zwei separate Verfahren anstrengen, um umfassenden Rechtsschutz zu erlangen. Dies verursacht zusätzlichen Zeitaufwand und vor allem ein weit höheres Kostenrisiko. Konsequent weitergedacht führt die Entscheidung, wie oben beschrieben, zu absurden Ergebnissen. Bei Verfahrenskosten von bis zu EUR 15.000,–, hat die nunmehrige Nichtbeachtung von rechtswidrigen Klauseln weitreichende Folgen.
Dies wird für die Mieter:innen ein Hindernis darstellen, was dazu führen wird, dass potenziell unzulässige Klauseln unwidersprochen bleiben und der Mieterschutz dadurch eingeschränkt wird.
Die Entscheidung, dass eine amtswegige Prüfung der Missbräuchlichkeit von Wertsicherungsklauseln durch den Außerstreitrichter (im Sinne der europäischen Klausel-Richtlinie und der entsprechenden EuGH-Judikatur) nicht erfolgt, ist überaus bedenklich für den Verbraucherschutz. Diese Richtlinie fordert eigentlich, dass nationale Gerichte die Missbräuchlichkeit von Klauseln auch ohne expliziten Einwand des Verbrauchers prüfen sollen, um die Wirksamkeit des Schutzes zu gewährleisten. Indem der OGH dies im Mietzinsüberprüfungsverfahren verneint, wird ein potenziell wichtiges Schutzinstrument nicht genutzt und die Intention der Richtlinie wird damit beeinträchtigt.
Der verbleibende Rechtsschutz für nicht ausreichend bestimmte Wertsicherungsvereinbarungen im Außerstreitverfahren stellt ein Mindestmaß dar, das in der Praxis von keiner besonderen Relevanz sein wird. Solche Vereinbarungen sind auch aus mietrechtlicher Sicht im Sinne der OGH-Entscheidung 5 Ob 166/24h weiterhin unzulässig und als Vorfrage in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zu prüfen.
Es ist zu befürchten, dass diese Entscheidung weitrechende Folgen hinsichtlich weiterer bislang zu prüfender Vorfragen im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren hat.
Die für Vermieter:innen positive Entscheidung – ihre Klauseln werden aufgrund der getroffenen Abgrenzung von Vorfragen im Außerstreitverfahren und streitigem Verfahren nun im Außerstreitverfahren nicht mehr umfassend geprüft – geht auf Kosten des Verbraucherschutzes und der Europarechtskonformität. Für Mieter:innen bedeutet sie eine ineffiziente, aufwendigere und damit erschwerte Rechtsdurchsetzung, wenn sie die Wirksamkeit der Wertsicherungsvereinbarung selbst anfechten wollen. Dies stellt nicht nur eine Belastung für Verbraucher:innen dar, sondern wirft, wie dargelegt, Fragen der Europarechtskonformität und der Effektivität des Verbraucherschutzes auf. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung in Zukunft entwickeln wird und ob Gesetzgeber oder der Europäische Gerichtshof hier gegebenenfalls korrigierend eingreifen werden, um die Lücke im umfassenden Schutz der Mieter:innen zu schließen und die Effektivität des europäischen Rechts zu gewährleisten.
Autor
Mag. Martin Brunnhauser ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.