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12.12.2025 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1239879

Arbeitszeiterfassung als Fundament des modernen Arbeitsschutzes

Johann Schöffthaler

Gaustautor Johann Schöffthaler BA MA, erläutert die Bedeutung und Weiterentwicklung der Arbeitszeiterfassung für den Arbeitsschutz in Zeiten von Digitalisierung und Telearbeit.

Die Erfassung der Arbeitszeit ist heute ein zentraler Bestandteil des Arbeitsschutzes. Sie gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Höchstarbeitszeitgrenzen sowie Ruhezeiten, schützt vor Überlastung und unterstützt die gesundheitsförderliche Gestaltung moderner Arbeitsformen. Historisch entstand diese Notwendigkeit erst mit der Einführung der ersten Arbeitszeitbeschränkungen im späten 19. Jahrhundert. Der folgende Beitrag zeigt, wie sich die Arbeitszeiterfassung vom reinen Dokumentationsinstrument zu einem Schlüsselfaktor für Sicherheit, Gesundheit und Prävention in der Arbeitswelt entwickelt hat.

Historische Entwicklung: Von der Vertragsfreiheit zum Arbeitsschutz

Bis 1884 galt in Österreich das Prinzip der absoluten Vertragsfreiheit. Arbeitszeiten von 12 bis 16 Stunden täglich – bis zu 90 Wochenstunden – waren in Industrie, Gewerbe und Bergbau üblich. Kinderarbeit gehörte zum Alltag. Die gesundheitlichen Folgen waren dramatisch, sichtbar etwa in stark sinkenden Tauglichkeitsquoten bei Musterungen oder der physischen Verelendung breiter Arbeitnehmer:innenschichten (vgl https://www.gpa.at/themen/arbeitszeit/der-lange-kampf-um-geregelte-arbeitszeiten vom 15.11.2025).

Mit den ersten gesetzlichen Beschränkungen ab 1884 wurde die Dokumentation der Arbeitszeit notwendig. Sie bildete die Grundlage für die Kontrolle von Höchstarbeitszeiten und für den Anspruch der Arbeitnehmer:innen auf korrekte Entlohnung.

Transparenz als Voraussetzung für Schutz

Arbeitszeiterfassung schafft Transparenz: Sie macht sichtbar, wie lange, wann und unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Damit fungiert sie als Instrument zur Durchsetzung gesetzlicher Arbeitszeitgrenzen sowie als Basis für betriebliche Präventionsmaßnahmen.

Die zentrale Schutzwirkung lässt sich einfach darstellen: Arbeitszeiterfassung → schafft Grenzen → verhindert Entgrenzung → ermöglicht Erholung

Erst durch die objektiven Daten einer systematischen Erfassung können Pausen, Ruhezeiten und Überstunden verlässlich identifiziert und kontrolliert werden. Besonders elektronische Systeme minimieren Manipulationen und liefern präzise, auswertbare Informationen.

Entgrenzung als moderne Herausforderung

Mit Digitalisierung, Telearbeit und mobiler Arbeit verschwimmen Arbeits- und Freizeit zunehmend. Formen der Entgrenzung sind etwa:

  • abendliche oder wochenendliche Arbeit,
  • ständige Erreichbarkeit,
  • fehlende feste Arbeitszeiten im Homeoffice,
  • digitale Tools, die Arbeiten jederzeit ermöglichen.

Entgrenzung bedeutet nicht zwangsläufig mehr Arbeitszeit, aber mehr Unsicherheit über deren Beginn und Ende. Dies beeinträchtigt die mentale Distanzierung von der Arbeit – ein zentraler Faktor für Regeneration, Schlafqualität und psychische Gesundheit. Studien zeigen klar: Ohne verlässliche Ruhephasen steigen das Risiko für Burnout, chronische Erschöpfung und Stress erheblich.

Für Erholung von der Arbeit braucht es verlässliche Phasen, in denen man wirklich frei ist:

  • Keine Arbeitsreize (Mails, Anrufe),
  • Klarer Übergang zwischen Arbeit und Freizeit,
  • Ausreichende Dauer von Ruhezeiten.

Arbeitszeiterfassung gem der europäischen Arbeitszeitrichtlinien

Die europäischen Arbeitszeitrichtlinien (89/391/EWG; 2003/88/EG) definieren daher Mindeststandards für Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten, deren Einhaltung ohne Erfassung faktisch unkontrollierbar wäre. In diesen Richtlinien sind klare Regeln aufgezählt, um Arbeitnehmer:innen vor Überlastung zu schützen.

Die Arbeits- und Organisationspsychologie beschreibt die Arbeitszeiterfassung als ein Instrument zur objektiven Dokumentation der Arbeitszeit (insbesondere die elektronische Erfassung, handgeschriebene „Stundenzettel“ sind sehr oft kontraproduktiv, werden nicht ernst genommen, da die minuten- bzw sekundengenaue Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit „gerundet“ wird!). Studien und die Praxis zeigen, dass Transparenz über Arbeitszeiten die Einhaltung gesetzlicher Ruhezeiten verbessert und die Wahrnehmung von Kontrolle über die eigene Arbeit stärkt, insbesondere durch elektronische Zeiterfassungssysteme, da deren Manipulation wesentlich schwieriger ist.

Arbeitszeiterfassung: Bedeutung elektronischer Systeme

Arbeits- und Organisationspsychologie sowie behördliche Praxis weisen darauf hin, dass elektronische Zeiterfassungssysteme:

  • eine hohe Genauigkeit bieten,
  • weniger manipulierbar sind,
  • die Einhaltung von Ruhezeiten verbessern,
  • die Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle der Arbeitnehmer:innen stärken.

Viele Kontrollbehörden fordern daher manipulationssichere digitale Systeme – vergleichbar dem digitalen Tachographen im Verkehrssektor oder der Registrierkassenpflicht. Politische Zurückhaltung sowie der Wunsch mancher Arbeitgeber:innen nach „Flexibilität“ verzögert jedoch deren Verankerung im Gesetz.

Arbeitszeiterfassung in flexiblen Arbeitsformen

Gerade bei Homeoffice, mobiler Arbeit und Telearbeit zeigt sich der präventive Wert der Zeiterfassung besonders deutlich. Sie hilft Arbeitnehmer:innen, die eigene Arbeitszeit realistisch einzuschätzen und Unterbrechungen der Erholungsphasen sichtbar zu machen.

Beispiel: Eine Beschäftigte beantwortet um 21 Uhr „nur kurz“ eine E-Mail. Subjektiv wirkt dies unbedeutend – objektiv verlängert es die Arbeitszeit und verkürzt die Ruhezeit. Ohne Erfassung bleibt dies unsichtbar und führt zu schleichender Überlastung.

Die psychologische Logik lautet:

  • Arbeitszeiterfassung reduziert Entgrenzung,
  • geringe Entgrenzung erleichtert mentale Distanz,
  • mentale Distanz ermöglicht wirksame Erholung.

Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

Arbeitszeiterfassung ist kein Überwachungsinstrument, sondern dient dem Schutz der Gesundheit. Eine moderne Unternehmenskultur betrachtet Zeiterfassung als Mittel zur fairen Entlohnung, Belastungssteuerung und Förderung selbstbestimmter Flexibilität. Widerstände – oft bei Führungskräften traditioneller Prägung – resultieren aus Misstrauen oder aus Leistungsbildern, die Anwesenheit statt Ergebnisse bewerten.

Dabei zeigt die Praxis: Wo Arbeitszeiten transparent werden, können Belastungsspitzen erkannt, Personalressourcen angepasst und Fluktuation, Krankenstände sowie Überstundenkosten reduziert werden.

Ein Beispiel einer Betriebskontrolle der Arbeitsinspektion zeigt, dass in einem Betrieb mit rund 150 Arbeitnehmer:innen zwar nur wenige Überschreitungen der 12-Stunden-Grenze dokumentiert waren, jedoch rund 130 Personen regelmäßig über 10 Stunden täglich arbeiteten – häufig aus Angst vor Nachteilen bei Verweigerung von Überstunden. Erst die Auswertung der Daten führte zu Personalaufstockungen und einer deutlichen Verbesserung der Arbeitszufriedenheit (Hinweis: der Prozess vom Erkennen bis zur Umsetzung geeigneter Maßnahmen dauerte hierbei ca 14 Monate).

Digitale Zukunft: Arbeitszeiterfassung als Schutzmechanismus

Digitalisierung, KI-gestützte Arbeitsprozesse und neue Kundenanforderungen – etwa im boomenden Paketmarkt mit rund 200 Millionen Sendungen jährlich – erhöhen die Bedeutung einer verlässlichen Arbeitszeitdokumentation weiter. Sie dient nicht nur zur Kontrolle der Arbeitgeber:innen, sondern schützt Arbeitnehmer:innen vor Fremd- und Selbstüberforderung.

Wie Keynes bereits betonte: Für wirtschaftliche Analysen braucht es klare Maßeinheiten. Gleiches gilt für den Arbeitsschutz: Nur was messbar ist, kann gesteuert werden (vgl John Maynard Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, insbesondere Kapitel 4: Die Wahl der Maßeinheiten; Verlag Duncker & Humblot – Berlin 2017).

Fazit

Arbeitszeiterfassung ist heute ein zentrales Instrument des Arbeitsschutzes. Sie schafft Transparenz, verhindert Entgrenzung, sichert Erholungszeiten und ermöglicht damit nachhaltige Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Fairness in der Arbeitswelt. In einer Zeit, in der Arbeit zeitlich und räumlich immer flexibler wird, gewinnt sie weiter an Bedeutung – für Beschäftigte, Betriebe und die Gesellschaft insgesamt. Es ist gerade in der Gegenwart und in der Zukunft aufgrund der Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, neue Arbeitsformen, neuen Verhaltensweisen der Kunden (zB lieber im Internet bestellen als vor Ort einkaufen – ca 200 Millionen Pakete pro Jahr) etc, enorm wichtig für den Arbeitnehmer:innenschutz die Arbeitszeit zu erfassen und zu dokumentieren um die tatsächlich geleistete Arbeit sichtbar und transparent zu machen, nicht nur zur Kontrolle der Arbeitgeber:innen, um eine Ausbeutung und Überbeanspruchung zu verhindern, sondern auch um den Selbstschutz der Arbeitnehmer:innen vor Selbstausbeutung zu gewährleisten.

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