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04.09.2023 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1144484
In Gestalt verschiedener chemischer Bauprodukte lauern neue Gesundheitsgefahren in der Bauindustrie, die leider alles andere als offensichtlich sind.
Mit direkt wirkender EU-Verordnung (2020/1149) vom 3. August 2020 wurde in Anhang XVII der REACH-Verordnung der Eintrag 74 aufgenommen, der das Inverkehrbringen und die Verwendung von Diisocyanaten in der EU beschränkt.
Mit dieser Beschränkung soll der hohen Anzahl an Berufskrankheiten (etwa allergisches Asthma), die mit der Verwendung von Diisocyanaten bei der Arbeit einhergehen, in der EU bestmöglich vorgebeugt werden. Leider fehlt jedoch in vielen Sparten noch das Wissen um die Bedeutung des Gesundheitsschutzes wie auch um die rechtzeitige Wahrnehmung chemikalienrechtlicher Fristen.
Ein Inverkehrbringen diisocyanathaltiger Produkte ist erlaubt, wenn auf der Verpackung gut sichtbar und getrennt von anderen Angaben des Kennzeichnungsetiketts folgender Wortlaut angebracht wird: „ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen“. Diese Regelung gilt bereits seit dem 24. Februar 2022 und wurde bis vor Kurzem kaum beachtet.
Der Lieferant von diisocyanathaltigen Produkten muss ferner sicherstellen, dass seine Kunden zusätzlich zu den Angaben am Kennzeichnungsetikett über die Schulungserfordernisse Bescheid wissen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf! Dafür ausreichend sind jedenfalls ein mündlicher Hinweis, eine entsprechende Angabe im Sicherheitsdatenblatt und/oder in technischen Begleitunterlagen zum Produkt.
Wenn in Bauprodukten 0,1 oder mehr Gewichtsprozent an momomeren Diisocyanaten, also einzelnen, sehr reaktiven Molekülen enthalten sind, müssen die Verwender bzw Verarbeiter dieser Bauprodukte ab 24. August 2023 eine Schulung absolviert haben.
Bei dieser Regelung handelt es sich nicht um ein Verbot, sondern um eine Beschränkung. Eine Weiterverwendung dieser Produkte über der Konzentrationsgrenze von 0,1 Gewichtsprozent ist eben nur dann erlaubt, wenn die Anwender entsprechend geschult wurden.
Diese chemikalienrechtliche Regelung gilt zusätzlich zur im ArbeitnehmerInnenschutz bereits bestehenden
Diisocyanate sind als hochgradig atemwegs- und hautsensibilisierend eingestuft. Das heißt, sie können allergische Reaktionen bis hin zu Hautekzemen oder Asthma auslösen.
Isocyanate zeigen akute und chronische Wirkungen, vorwiegend am Bronchialsystem. Akute Wirkungen sind Husten, Atemnot, Schnupfen und Augenreizungen (Konjunktivitis). Diese Wirkungen können zeitlich versetzt auftreten und lebensbedrohlich werden (Lungenödem). Chronische Wirkungen umfassen obstruktive Atemwegserkrankungen oder spezifische Veränderungen am Immunsystem (Antikörperbildung) unter Ausbildung eines Isocyanat-Asthmas.
Alle erwähnten Erkrankungen sind langwierig, nur schlecht bis gar nicht behandelbar und führen neben langen Krankenständen zu massivem Verlust der Lebensqualität.
Isocyanathaltige Arbeitsstoffe sind bereits ab niedrigen Konzentrationen an gefahrauslösenden Isocyanat-Monomeren mit folgenden H-Sätzen im Sicherheitsdatenblatt gekennzeichnet:
| Kann allergische Hautreaktionen verursachen. |
| Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen. |
| Enthält Isocyanate. Kann allergische Reaktionen hervorrufen. |
Beim Aufnahmepfad in den Körper über die Haut sind alle Tätigkeiten zu berücksichtigen, bei denen direkter Hautkontakt mit isocyanathaltigen Zubereitungen, Zwischen- oder Endprodukten besteht. Hierzu gehören insbesondere:
Die fertigen, ausgeschäumten oder ausgehärteten Endprodukte sind hingegen bereits ungefährlich.
Einzige Schutzmaßnahme neben einer sehr guten Ablüftung des Arbeitsplatzes, so dieser nicht sowieso im Freien liegt, ist die konsequente Vermeidung des Hautkontaktes, wobei dies für alle Hautpartien gilt, nicht nur für die Hände. Somit sind auch Ober- und Unterarme, Beine oder Oberkörper gegen Kontakt zu schützen.
Primäres Augenmerk muss aber natürlich den Handschuhen gewidmet werden, wobei Auswahl, Tragedauer und Haptizität für die Durchführung der Arbeiten Gegenstand arbeitsmedizinischer Prävention darstellen.