Entgelttransparenzrichtlinie: Was Unternehmen bereits jetzt beachten müssen
Die Entgelttransparenzrichtlinie bringt wichtige Änderungen – von der Stellenausschreibung bis hin zu internen Transparenzpflichten, Berichtspflichten und Sanktionen. Unternehmen sollten bereits jetzt handeln, um Risiken zu minimieren.
Die EU hat mit der Entgelttransparenzrichtlinie (RL (EU) 2023/970) neue Vorgaben beschlossen, die Unternehmen mehr Transparenz bei Gehältern abverlangen und Beschäftigte im Kampf gegen Entgeltdiskriminierung stärken. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis 2026 in nationales Recht umsetzen. Für Unternehmen bedeutet das, dass schon jetzt Prozesse überprüft und vorbereitet werden sollten.
Entgelttransparenzrichtlinie: Geltungsbereich
Die Richtlinie gilt für alle Arbeitnehmer:innen – unabhängig von Vertragsart oder Arbeitsmodell. Auch Teilzeitkräfte, Leiharbeitnehmer:innen, Plattformarbeiter:innen, Praktikant:innen und Auszubildende sind erfasst. Entscheidend ist die tatsächliche Arbeitsleistung, nicht die Vertragsbezeichnung.
Neue Pflichten im Bewerbungsprozess
Arbeitgeber:innen sind künftig verpflichtet, Bewerber:innen bereits vor dem Bewerbungsprozess über das konkrete Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne für die ausgeschriebene Position zu informieren.
Diese Information muss proaktiv erteilt werden, ein Auskunftsbegehren der Bewerber:innen ist nicht notwendig.
Anzuraten ist, die Angaben bereits in die Stellenausschreibung aufzunehmen. Gibt es keine Ausschreibung (zB bei Initiativbewerbungen) kann das Gehalt bzw die Gehaltsspanne in der Einladung zum Vorstellungsgespräch angegeben werden.
Hinweis:
Die bisher übliche Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts reicht nicht mehr.
Untersagt ist künftig auch die Frage nach früheren Gehältern. Spannend bleibt, wie hier sanktioniert werden wird/kann. Klar ist aber, dass auch HR-Prozesse neugestaltet werden müssen, um der Richtlinie zu entsprechen. HR-Verantwortliche sind entsprechend zu schulen und zu sensibilisieren. Stellenausschreibungen sind den Regeln der Richtlinie anzupassen.
Informationspflichten im Dienstverhältnis
Arbeitgeber:innen müssen Beschäftigte proaktiv über geschlechtsneutrale Kriterien zur Gehaltsfestlegung informieren (zB Kompetenz, Verantwortung, Arbeitsbedingungen). Diese Informationen sind in leicht zugänglicher Form bereitzustellen (zB Intranet, Aushang).
Auskunftsrechte für Beschäftigte
Arbeitnehmer:innen erhalten das Recht, Auskunft über das individuelle sowie das durchschnittliche Entgeltniveau vergleichbarer Tätigkeiten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, zu verlangen. Diese Auskünfte müssen binnen zwei Monaten schriftlich erteilt werden.
Hinweis:
Klauseln, die Arbeitnehmer:innen zur Verschwiegenheit über ihre Entgelthöhe verpflichten, sind künftig unzulässig. Die ETRL sieht vor, Vertragsbedingungen zu verbieten, durch die Arbeitnehmer:innen davon abgehalten werden, Informationen über ihr Entgelt offenzulegen.
Bestehende Arbeitsvertragsvorlagen sind diesbezüglich anzupassen.
Entgelttransparenzrichtlinie: Einheitlicher Entgeltbegriff
Der Entgeltbegriff ist weit gefasst: Neben Grundgehalt fallen auch variable Bestandteile wie Boni, Überstundenvergütungen, Sachleistungen, Abfindungen oder Betriebsrenten darunter.
Kriterien für „gleiche“ und „gleichwertige“ Arbeit
Unternehmen müssen klare und geschlechtsneutrale Bewertungssysteme entwickeln. Grundlage sind die vier Kernfaktoren der Richtlinie:
- Kompetenzen
- Belastungen
- Verantwortung
- Arbeitsbedingungen
Diese Kriterien bilden die Basis für Entgeltberichte und individuelle Auskünfte.
Berichtspflichten für größere Unternehmen
Unternehmen mit
- 250 oder mehr Beschäftigten müssen bis zum 7. Juni 2027 jährlich,
- 150 bis 249 Beschäftigten müssen bis zum 7. Juni 2027 erstmals und folgend alle drei Jahre und
- 100 bis 149 Beschäftigten müssen bis zum 7. Juni 2031 und folgend alle drei Jahre
in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr über einen Gender Pay Gap berichten. Kleinere Unternehmen sind von der Berichtspflicht ausgenommen, sofern der nationale Gesetzgeber dies nicht anders regeln wird. Unternehmen ab 250 Beschäftigen müssen daher bereits über einen allfälligen Gender Pay Gap im Jahr 2026 berichten.
Abweichungen und Abhilfepflichten
Liegt der Gender Pay Gap über 5 % und fehlt eine sachliche Begründung, müssen Unternehmen binnen sechs Monaten Abhilfe schaffen. Gelingt dies nicht, ist gemeinsam mit Arbeitnehmervertreter:innen eine Entgeltbewertung durchzuführen.
Sanktionen und Schadenersatz
Bei Verstößen drohen Geldbußen, Schadenersatzforderungen und die Pflicht zu strukturellen Maßnahmen. Beschäftigte profitieren zudem von einer Beweislastumkehr: Arbeitgeber:innen müssen nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Unternehmen sollten sich frühzeitig vorbereiten:
- Bestehende Gehalts- und Beförderungssysteme prüfen
- Transparente Kriterien für gleiche/gleichwertige Arbeit festlegen
- Gehaltsspannen in Stellenausschreibungen aufnehmen
- Prozesse für Auskunftsersuchen einführen
- Arbeitsverträge anpassen (va bzgl Verschwiegenheitsklauseln)
- HR und Führungskräfte schulen
- Berichtssysteme aufbauen
Fazit
Die Entgelttransparenzrichtlinie bringt erhebliche Änderungen für Arbeitgeber:innen – von der Stellenausschreibung über interne Transparenzpflichten bis hin zu Berichtspflichten und Sanktionen. Wer jetzt handelt, minimiert Risiken und schafft die Grundlage für faire und transparente Vergütungssysteme.
Produkthinweis:
Das ist ein Auszug aus dem Beitrag von Mag. Barbara Klinger und Mag. Martin Lanner „Entgelttransparenzrichtlinie: Was Unternehmen bereits jetzt umsetzen müssen" aus unserem aktuellen Handbuch „Arbeitszeitrecht“.