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19.12.2024 | Arbeitsrecht | ID: 1190705
Worum es geht ist, dass große Onlinehandelsplattformen die Möglichkeit haben und auch nutzen sich § 12b Arbeitsruhegesetz (ARG) zu bedienen und somit die an Sonntagen und Feiertagen online bestellten Waren zuzustellen.
Grundvoraussetzung ist hier, dass die Onlinehandelsplattformen nicht unter das Öffnungszeitengesetz fallen bzw nicht erwähnt werden, da im Jahre 2003, in welchem das Öffnungszeitengesetz veröffentlicht wurde, die Entwicklung der Größen und Anzahl der derzeit existierenden Onlinehandelsplattformen schlichtweg nicht bekannt war.
§ 1. (1)Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.
(2) Als Betriebseinrichtung im Sinne des Abs 1 gelten auch alle Einrichtungen und Veranstaltungen der im Abs 1 genannten Unternehmungen, bei denen Warenbestellungen im Kleinverkauf entgegengenommen werden.
(3) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten auch für die Kleinverkaufsstellen der land- und forstwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, deren Tätigkeit lediglich gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GewO 1994 von deren Bestimmungen ausgenommen ist.
§ 2. Von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind ausgenommen
1. die Warenabgabe aus Automaten;
2. der Warenverkauf im Rahmen eines Gastgewerbes in dem im § 111 Abs 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang und eines Konditorgewerbes in dem im § 150 Abs 11 GewO 1994 bezeichneten Umfang;
3. Tankstellen für den Verkauf von Betriebsstoffen für Kraftfahrzeuge sowie für den Kleinverkauf von im § 157 Abs 1 Z 2 GewO 1994 angeführten Waren nach Maßgabe des § 157 Abs 2 GewO 1994;
4. Verkaufsstellen im Kasernenbereich, die Waren nur an Angehörige des Bundesheeres oder der Bundespolizei und an die in der Kaserne tätigen Bediensteten abgeben („Marketendereien“), und
5. der Marktverkehr.
§ 3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes regeln das Offenhalten der Verkaufsstellen (§ 1). An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§ 7 Abs 2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 6 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.
Der vorübergehend auftretende besondere Arbeitsbedarf gem § 12b ARG besagt:
(1)Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf können durch Betriebsvereinbarung Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Arbeitnehmerin bzw Arbeitnehmer und Jahr zugelassen werden. Eine Ausnahme von der Wochenendruhe kann nicht an vier auf einander folgenden Wochenenden erfolgen.
(2) Für Verkaufstätigkeiten nach dem Öffnungszeitengesetz gilt Abs 1 nicht.
(3) In Betrieben ohne Betriebsrat kann Wochenend- und Feiertagsarbeit nach Abs 1 und 2 schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart werden. In diesem Fall steht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten. § 105 Abs 5 ArbVG gilt sinngemäß.
(4) Die Betriebsvereinbarung bzw die schriftliche Einzelvereinbarung muss, sofern sie für wiederkehrende Ereignisse abgeschlossen wird, den Anlass umschreiben.
Die Wirtschaftskammer von Österreich erklärt dazu folgendes Beispiel:
„In einem malerischen Alpental findet jedes Jahr zu Pfingsten ein Treffen von Liebhabern eines bestimmten Automodells statt. Die in diesem Tal befindliche Autowerkstätte vereinbart mit dem Betriebsrat, dass jedes Jahr zu Pfingsten die Beschäftigung der Mechaniker nicht nur während des gesamten Wochenendes, also bis Sonntag, sondern auch am Feiertag dem Pfingstmontag erlaubt ist.
Da es sich bei diesem Treffen der Autoliebhaber um ein wiederkehrendes Ereignis handelt, ist dieses Treffen als Anlass für die Ausnahme vom Beschäftigungsverbot in der Betriebsvereinbarung zu umschreiben.
Damit stellt der Gesetzgeber aber auch klar, dass jährlich wiederkehrende Feiertage und Ereignisse einen vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf begründen können. Es muss sich nicht um Umstände und Ereignisse handeln, die einmalig bzw unvorhersehbar auftreten.“ (https://www.wko.at/arbeitszeit/arbeiten-feiertage-betrieblich-vereinbarte-ausnahmen vom 14.09.2024)
Der Wortlaut „vorübergehend besonderer Arbeitsbedarf“ kommt ursprünglich aus dem Arbeitszeitgesetz, dem ehemaligen § 7 Abs 4 AZG und wurde sehr streng ausgelegtS so war die sich jährliche wiederholende Inventur eine planbare Aktion und somit kein „vorübergehend besonderer Arbeitsbedarf“, welcher jetzt aber in § 12b ARG ausdrücklich für planbare sich wiederholende Aktionen wie zB Primeday, Weihnachten, Ostern, Inventuren, Schlussverkauf, Jahresabschlüsse in der Buchhaltung, kurzfristige und dringend zu erledigende Aufträge, Personalengpässe aufgrund von Krankenständen etc gedacht ist.
Somit kann der „Arbeitsbedarf“ von „innen“ als auch „außen“ kommen. Die Unvorhersehbarkeit ist kein Kriterium mehr.
Ein wesentliches Kriterium war bei § 7 Abs 4 AZG die Pflicht zur Übermittlung der betreffenden Betriebsvereinbarung an das Arbeitsinspektorat und die zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber:nnen und der Arbeitnehmer:nnen. Hier enthält § 12b Absatz 1 ARG nur das erste, die Betriebs- oder Einzelvereinbarung.
Dies ähnelt dem berühmten „freiwilligen Arbeiten“ von 12 Stunden am Tag sowie 60 Stunden in der Woche, jetzt betrifft es das Wochenende und die Feiertage, an welchen „freiwillig“ gearbeitet werden darf.
Der Sinn von Verwendungsschutzgesetzen wie dem Arbeitsruhegesetz und Arbeitszeitgesetz sowie vieler weiteren Gesetzen ist der Schutz des „schwächeren“ Partners vor Missbrauch durch den „stärkeren“ Partner im Sinne des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). Dies ist in § 914 ABGB „Auslegungsregeln bey Verträgen“ und in § 869 ABGB „Wahre Einwillligung“ geregelt.
Die Konsequenzen des § 12 b ARG sind nicht absehbar. Klar ist aber, wenn der Onlinehandel am Sonntag und Feiertag seine bestellten Waren liefert, dass der stationäre Handel benachteiligt wird, dies eine Ungleichbehandlung darstellt und sich somit berechtigterweise wehren wird. Im Grunde geht es hierbei um die Sonntagsöffnung des Handels: wollen die Bürgerinnen und Bürger von Österreich das? Der Weg dafür ist frei, insbesondere für große Konzerne, welche über die genügende Anzahl von „freiwilligen“ Arbeitnehmer:nnen verfügen, um die zusätzlichen Sonntage und Feiertage abzudecken. Andererseits gibt es hier laut Wirtschaftskammer die Möglichkeit für Arbeitnehmer:nnen sich freiwillig ein zusätzliches Geld zu verdienen und die Möglichkeit die Wirtschaftsleistung in Österreich zu steigern.