14.04.2025 | Gesellschaftsrecht | ID: 1196943

Gesellschaftsrechtlicher Dauerbrenner Einlagenrückgewähr

Georg Streit

In Zeiten knapper Budgets und allgemeiner Teuerung rückt das Thema Einlagenrückgewähr noch stärker in den Fokus als sonst. RA Mag. Georg Streit erläutert die möglichen Fallstricke anhand einschlägiger Judikatur.

Der Griff in die Gesellschaftskasse, wenn diese prall gefüllt ist, mag verlockend wirken, zahlt sich aber buchstäblich nicht aus. Auch der Einsatz der Gesellschaft als Unterstützung für Finanzierungen oder Geschäfte, in die auch eine Gesellschafter verwickelt ist, birgt viele Fallstricke. Denn Geschäfte eines Gesellschafters mit seiner Gesellschaft sind ein Maßstab des Verbots der Einlagenrückgewähr1 zu messen. Ein Überblick über die Judikatur bietet dieser Beitrag.

Nichtigkeit der Einlagenrückgewähr

Das GmbH-G normiert in § 82 Abs 1, dass Gesellschafter ihre Stammeinlage nicht zurückfordern können. Sie haben nur Anspruch auf den ihnen zugewiesenen Gewinn. Dieses Verbot der Einlagenrückgewähr enthält zwar nicht die Sanktion der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen dieses Verbot verstoßen. Die Judikatur geht aber von der Nichtigkeit dieser Geschäfte gem § 879 Abs 1 ABGB aus.2 Zweck dieses Verbots der Einlagenrückgewähr ist die Erhaltung des Stammkapitals als dauernder Grundstock der Gesellschaft. Das gesamte Gesellschaftsvermögen ist davon umfasst, nicht bloß das Stammkapital, das von den Gesellschaftern übernommen wurde.3

Jeder Leistung der Gesellschaft an einen Gesellschafter muss eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehen, um das Vermögen der Gesellschaft nicht zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger zu schmälern.4 Die Judikatur ist an Beispielen für Sachverhalte, die als unzulässige Einlagenrückgewähr gewertet wurden, reich. Generell ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter, sei es auf vertraglicher Basis oder auf anderer Weise „verdächtig“. Diese Vorschriften gelten gleichermaßen auch für eine GmbH & Co KG.5

Kein Vorausgewinn

Fast schon ein „Klassiker“, aber in Zeiten des Sparens und geringerer Einnahmen sowie damit verbundener Liquiditätsengpässe besonders aktuell ist auch die Gewährung von Darlehen durch eine Gesellschaft an ihre Gesellschafter. Dieser Sachverhalt stellt dann eine unzulässige Einlagenrückgewähr dar, wenn die Konditionen der Darlehensgewährung nicht fremdüblich sind. Gleiches gilt für die Besicherung von Darlehen, die einem Gesellschafter durch Dritte gewährt werden. Selbst der Ausweg, die Rückzahlungsverpflichtung durch zukünftige Gewinnausschüttungen zu finanzieren, wird im Regelfall unzulässig sein. Denn ob einem Gesellschafter Gewinn zukommt oder nicht, liegt nicht an ihm, sondern hängt von der Geschäftsgebarung der Gesellschaft ab. Damit wird das Risiko für die Rückzahlung auf die Gesellschaft selbst verlagert, was wiederum den Tatbestand der Einlagenrückgewähr erfüllt. Ein Verbot der Einlagenrückgewähr stellt auch der gar nicht so seltene Fall der Finanzierung des Abfindungsanspruchs eines ausscheidenden Gesellschafters durch ein Darlehen, das von der Gesellschaft selbst aufgenommen wird, dar.

Das Einräumen von Rechten, wie etwa das Nutzungsrecht an Gegenständen des Gesellschaftsvermögens (zB an Immobilien), aber auch an anderen Rechten, wie etwa Patenten oder Marken. Die Einräumung eines Lizenzrechts ohne Rechnung einer fremdüblichen Lizenzgebühr erfüllt ebenso den Tatbestand einer unzulässigen Einlagenrückgewähr.

Auch bei Zahlungen der Gesellschaft, etwa für Berater, wie Steuerberater, Rechtsanwälte oder Unternehmensberater, deren Leistung (auch) von den Gesellschaftern (ohne Gegenleistung) genutzt werden, ist wie bei der Bezahlung von Provisionen für Vermittlung oder Abwicklung bestimmter Geschäfte genau darauf zu achten, wer Begünstigter dieser Zahlung ist bzw, dass die Kosten nicht zu Lasten der Gesellschaft ohne entsprechende Gegenleistung bezahlt werden.6 Umso mehr liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor, wenn bei einem Share-Deal die Zielgesellschaft selbst einen Kredit aufnimmt, um dem zukünftigen Gesellschafter (= Käufer) die Mittel für den Deal zu verschaffen.7

Die unentgeltliche Überlassung von Sachen (auch Rechten) stellt im Regelfall einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr dar,8 wenn die Gesellschaft dies bei einem Dritten, Gesellschaftsfremden, anders gehandhabt hätte, etwa (höheres) Entgelt für die Überlassung verlangt hätte. Irrelevant ist dabei das Argument, dass die Gesellschaft gegenüber Dritten das Geschäft gar nicht abgeschlossen hätte.

Wirtschaftliche Betrachtungsweise

Bei der nach der Judikatur gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann selbst eine Zuwendung an nahe Angehörige eines Gesellschafters eine unzulässige Einlagenrückgewähr darstellen.9 Und nach der Rechtsprechung kann sogar ein Kündigungsverzicht für einen Dienstnehmer unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fallen – zumindest, solange kein aktiv begründetes Interesse der Gesellschaft an einer längerfristigen Bindung des Dienstnehmers besteht.10

Mittelbarer Vermögenstransfer

Das Verbot der Einlagenrückgewähr umfasst auch mittelbare Vermögensverschiebungen an Gesellschafter, etwa über zwischengestaltete Konstruktionen, mehrstufige Beteiligung oder auch an dem Gesellschafter nahestehende Dritte.11 Auch das Überlassen einer Geschäftschance der Gesellschaft kann gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Anlassfall war die Überlassung eines lukrativen Immobiliendeals an einen Gesellschafter durch die Gesellschaft. Allerdings muss diese Möglichkeit, eine Geschäftschance der Gesellschaft zu übernehmen, bereits sehr „verdichtet“ sein, sodass „ihr ein Marktwert zukommt“.12

Die Judikatur nimmt auch die gesetzliche Anordnung, dass Gesellschafter nur auf den nach dem Jahresabschluss sich ergebenden Bilanzgewinn Anspruch haben, sehr genau. Daher sind auch Vorauszahlungen auf künftige Gewinnansprüche oder „Gewinnausschüttungen“ vor der Feststellung des Jahresabschlusses und der Fassung eines gültigen Gewinnverteilungsbeschlusses der Gesellschafter unzulässig.13

Fehlende Vertretungsmacht

Die Nichtigkeit eines Geschäfts, das gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt, wirkt in der Regel ex tunc.14 Geschäftsführern, die Geschäfte mit Gesellschaftern abschließen, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, fehlt es stets an Vertretungsmacht. Die verbotene Einlagenrückgewähr geht „immer Hand in Hand mit unwirksamer Vertretung“ .15

Rückzahlungspflicht

Zur Rückzahlung verpflichtet sind in erster Linie die Gesellschafter, die unzulässige Leistungen der Gesellschaft erhalten haben. Das kann auch ehemalige Gesellschafter umfassen, wenn die Leistung eben im Hinblick auf diese ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wurde.16 Jüngst hat der OGH auch entschieden, dass ein mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafter für dieselbe Leistung der Gesellschaft, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen hat, solidarisch für den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft haften. In konkretem Fall ginge es um eine Gesellschafterin und deren Gesellschafter, also den „Großvater“.17

Fazit

Die Fallstricke sind also mannigfaltig. Die vom Verbot der Einlagenrückgewähr umfassten Sachverhalte werden immer detaillierter. Die Bestimmung des Verbots der Einlagenrückgewähr ist ein wirksames Korrektiv gegen die Vermengung der Privatsphäre des Gesellschafters mit seiner Gesellschaft.

Autor

Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte (Wien).

______________________________________________

[1] Gem § 82 GmbH-G bzw § 52 AktG.

[2] 6 Ob 232/16k.

[3] RS 0105518.

[4] 7 Ob 142/07v.

[5] 6 Ob 171/15p.

[6] ZB 6 Ob 24/23g.

[7] RS 0105540.

[8] 6 Ob 195/18x.

[9] 6 Ob 195/18x.

[10] 8 ObA 53/18d.

[11] 6 Ob 288/99t.

[12] 6 Ob 71/21s.

[13] 6 Ob 84/17x, 6 Ob 207/20i, 6 Ob 26/21y.

[14] 6 Ob 98/24s.

[15] 6 Ob 98/24s.

[16] RS 0105536.

[17] 6 Ob 98/24s.

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