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07.12.2022 | Wirtschaftsrecht | ID: 1127667
Manche Rechtsakte der EU erhalten sprechende Beinamen. So auch die Richtlinie „zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union“[1]. Diese bringt Änderungen in zahlreichen Richtlinien, die dem Verbraucherschutz dienen, mit sich. Die notwendige Umsetzung wirkt sich daher in Österreich gleich auf mehrere Gesetze aus. Wenn Sie einsteigen, führt sie unser Omnibus in diesem Beitrag zu den einzelnen Stationen, an denen der Gesetzgeber Halt gemacht und Änderungen vorgenommen hat.
Losgefahren ist der Omnibus in Österreich mit etwas Verspätung. Die Umsetzung der Richtlinien aus dem Jahr 2019 hätte bis 28.05.2022 erfolgen müssen. Mit ein paar Wochen Verspätung erfolgte die Umsetzung in Österreich in einem mehrstufigen Gesetzespaket. Der Gesetzgeber entschied sich zur Umsetzung der Omnibus-Richtlinie in zwei Gesetzen, die am 19.07.2022 im BGBl veröffentlicht wurden, nämlich das Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MoRUG I[2]) und das Zweite Modernisierungsumsetzungs-Gesetz (MoRUG II[3]). Mit diesen beiden Umsetzungsgesetzen wiederum wurden vier verschiedene Materien-Gesetze geändert – in Passagen, die wiederum jeweils dem Verbraucherschutz dienen: Im Konsumentenschutzgesetz (KSchG), im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG), im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und im Preisauszeichnungs-Gesetz (PrAG). Im Fokus beider Gesetze steht insbesondere die Stärkung der Verbraucherrechte im Zusammenhang mit der digitalen Geschäftsanbahnung und Abwicklung. Ein zwingender Grund dafür, dass es gleich zwei MoRUGs gibt, ist nicht ersichtlich. Das MoRUG I widmet sich jedenfalls dem FAGG und dem KSchG, das MoRUG II dem UWG und dem PrAG.
Ziel des Gesetzes und der Änderungen im FAGG und im KSchG ist die Anpassung der beiden Gesetze an Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen, die Änderung der Informationspflichten von Unternehmern, die Schaffung von mehr Transparenz auch Online-Marktplätzen und die Verschärfung des Rücktrittsrechts der Verbraucher, natürlich verbunden mit Sanktionen bei Verstößen gegen die neuen Rechtsvorschriften.
Das beginnt damit, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes nun nicht mehr nur „klassische“ entgeltliche Verträge umfasst, bei denen der Verbraucher[4] mit herkömmlichen Zahlungsmitteln die erworbene Ware oder Leistung bezahlt, sondern auch solche, bei denen die Gegenleistung des Verbrauchers im Gold des 21. Jahrhunderts, der Bereitstellung personenbezogener Daten erfolgt. Der Gesetzgeber nennt diesen Vertragstypus in den Gesetzesmaterialien recht kreativ „Datenhingebungsvertrag“. Der Verbraucher erhält dafür vom Unternehmer auch mehr Informationen über diesen, nämlich die Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse, unter denen der Verbraucher den Unternehmer schnell und ohne besonderen Aufwand erreichen kann.[5] „Gegebenenfalls“ muss der Unternehmer über andere Online-Kommunikationsmittel informieren, die gewährleisten, dass der Verbraucher etwaige schriftliche Korrespondenzen den Unternehmer speichern kann.
Mehr Aufwand für den Unternehmer bringt wohl die neue Verpflichtung des Unternehmens mit sich, den Verbraucher darüber zu informieren, wenn „der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wird.“ Der Ärger mancher Verbraucher über unzureichende Information wird hoffentlich durch die Verpflichtungen des Unternehmers, ihn „über die Funktionalität von Waren mit digitalen Elementen und von digitalen Leistungen“ und die „Kompatibilität und Interoperabilität von Waren mit digitalen Elementen und von digitalen Leistungen“ zu informieren- zumindest, soweit sie dem Unternehmer bekannt sein müssen.
Auf Onlinemarktplätzen tut sich Hinkunft einiges Neues. Dazu zählen zB Websites und Apps, die es Verbrauchern ermöglichen, Waren und Dienstleistungen von anderen Personen als dem Betreiber zu erwerben (Webshop & Co). Die Marktplatzbetreiber vermitteln Geschäfte zwischen den einzelnen Plattformnutzern. Sie sind nicht Vertragspartner der zwischen den Nutzern geschlossenen Verträge. Treten die Betreiber gleichzeitig als Anbieter von Waren oder Dienstleistungen auf, haben sie gar eine Doppelrolle um sich in diesem Umfeld besser zurechtzufinden, haben Verbraucher nun das Recht auf folgende Informationen:
Die Verbraucher müssen diese Informationen nicht aktiv anfordern, vielmehr sind diese Informationen vom Unternehmer verpflichtet vor Vertragsabschluss – „und ein weiteres Mal unmittelbar, bevor der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, klar, verständlich und in hervorgehobener Weise“ zu erteilen.
Das Verbraucherrücktrittsrecht wurde im Hinblick auf die Spezifika digitaler Dienstleistungen ein wenig modifiziert. Bei einem „Datenhingebungsvertrag“ (siehe oben) entfällt das Rücktrittsrecht ohne weitere Voraussetzungen. Ansonsten erfordert der Entfall des Rücktrittsrechts nun, dass der Verbraucher nicht nur zur Kenntnis nimmt, dass er sein Rücktrittsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung verliert, sondern dies vor Beginn der Dienstleistungserbringung auch bestätigt hat.
Und damit einhergehend wurden auch die Sanktionen für Verstöße gegen die neuen gesetzlichen Bestimmungen drastisch verschärft. Geldstrafen bis zu einer Höhe von 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmers sind nun möglich. Inhaltlich vergleichbare Anpassungen erfuhr auch das Konsumentenschutzgesetz. Hinzu kommt eine Verschärfung der Bestimmungen gegen „missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen“. Werden diese vom Unternehmer trotz gerichtlicher Untersagung weiterverwendet, erhöhen sich die möglichen Geldstrafen. Auch hier sind nun Geldstrafen bis zu einer Höhe von 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmers möglich sein. Bei fehlenden Informationen über den Jahresumsatz beträgt die die Strafhöhe bis zu 2 Millionen Euro.
Der zweite Teil des Modernisierungspakets schafft neue Regelungen für die Ankündigung von Preisermäßigungen im Preisauszeichnungsgesetz (PrAG), mehr Transparenz im Hinblick auf die Vermarktung einer Ware in mehreren Mitgliedstaaten („Dual Quality“), erweiterte Informationspflichten und bringt vor allem ein explizites Klagerecht für Verbraucher bei UWG-Verstößen mit sich. Die wichtigsten Neuerungen sind folgende:
Die schon aus der ersten MoRUG-Staffel bekannten Sanktionen finden wir auch in der Fortsetzung: Geldstrafen sind bei weitverbreiteten Verstößen und weitverbreiteten Verstößen mit Unions-Dimension bis zu einer Höhe von 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmers möglich. Bei fehlenden Informationen über den Jahresumsatz beträgt die die Strafhöhe bis zu 2 Millionen Euro.
Der Gesetzgeber hat – die Befolgung der Vorgaben des Unionsrechts – Verbraucherrechte gestärkt und an die Realität im Geschäftsleben angepasst. Ob diese Regelungen aus Sicht der Verbraucher ausreichend bzw aus Sicht der Unternehmer überschießend sind, wird die Praxis zeigen. Die Umsetzung der Richtlinien in Österreich erweckt jedenfalls den Eindruck, es beiden Seiten Recht machen zu wollen. Der goldene Mittelweg?
Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/
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Fußnoten
[1] RL (EU) 2019/2161, ABl L 2019/328, 7.
[2] BGBl I 2022/109.
[3] BGBl I 2022/110.
[4] Der Gesetzgeber verzichtet in diesem Gesetz auf das Gendern jedes dafür denkbaren Worts. Ob das dem Interesse der Betroffenen an leicht verständlicher Information geschuldet ist?
[5] Dafür ist die (früher fakultative) Faxnummer aus dem Gesetz gestrichen worden.
[6] Ausgenommen davon sind schnell verderbliche Sachgüter oder Sachgüter mit kurzer Haltbarkeit.
[7] Damit wird der Judikatur des OGH vom Dezember 2021 (4 Ob 49/21s) im Nachhinein Bestätigung und Legitimation durch den Gesetzgeber verliehen.